Eigentlich ist Christian Springer nach Cham gekommen, um sich bei den Schülerinnen und Schülern zu entschuldigen.
Kilometer lang, so erzählt er, waren die Staus, in welchen der gebürtige Münchner in seiner Jugend stand, um jedes Wochenende zum Skifahren in die Alpen zu fahren. Diesel-Abgaswolken vernebelten die Sicht auf der Autobahn genauso wie in den Skigebieten, da ja auch hier die Lifte mit Dieselaggregaten betrieben wurden. Jedes Jahr flog man in den Urlaub zum Schnorcheln und, wenn das nicht mehr aufregend genug war, zum Backpacking nach Nepal.
Und jetzt…. verlangen wir, die Babyboomer (= Jahrgänge Mitte 50er bis Mitte 60er), von Euch jungen Leuten, dass Ihr doch bitte umweltfreundlich lebt und nicht mehr durch die Welt jettet, um die Schäden, die wir angerichtet haben, zu kompensieren. Und fleißig sollt Ihr sein, damit die Wirtschaftsleistung wieder gesteigert wird und der Lebensstandard für die Masse an Rentnern, die in nächster Zukunft auf das deutsche Pflegesystem zukommt, gewährleistet wird.
Christian Springer ist ein deutscher Autor und Kabarettist, und Kabarettisten formulieren in der Regel überspitzt, sarkastisch, ironisch. Aber, diese Entschuldigung meint er sehr ernst. Die Situation für die jungen Menschen ist schwierig und nicht nur er versteht die Ängste und die Sorgen, die man hat, wenn man auf die Welt von heute und morgen blickt.
Allerdings, und das ist ihm eine Herzensangelegenheit, kann man die Probleme nicht lösen, indem man die Schuld auf Minderheiten schiebt oder auf Menschen, denen es nicht so gut geht. Und das tun wir nur allzu gerne. Nach unten treten, nach oben buckeln ist eine weiterbreitete Mentalität.
Dazu spricht er klare Worte: „Rassisten sind saublöd, solche Leute können wir in unserem Land nicht brauchen!“ Jeder Mensch liebt seine Heimat! Und die Entscheidung, die eigene Heimat zu verlassen trifft niemand leichtfertig. Diese Menschen brauchen Hilfe und nicht Hass und Hetze. Mit seiner Hilfsorganisation „Orienthelfer e.V.“ engagiert Springer sich schon seit 2012 in der Flüchtlingshilfe und kennt deshalb Fakten und Zahlen. Und vieles, was im Netz verbreitet wird, stimmt so nicht, stellt er in seinem Vortrag klar. Weltweit sind über 122 Millionen Menschen auf der Flucht. Davon sind etwa zwei Drittel Binnenvertriebene, also Menschen, die innerhalb ihres eigenen Landes auf der Flucht sind. Viele leben auch in den Nachbarländern in riesigen Flüchtlingscamps, Zaatari ist beispielsweise ein großes Lager für syrische Flüchtlinge in Jordanien. Nur die Wenigsten kommen zu uns nach Deutschland, und wir, als reiches Land, müssen hier helfen und nicht hetzen.
Außerdem brauchen wir ausländische Arbeitskräfte, um Deutschland am Laufen zu halten. Aktuell sind 18 Prozent aller Pflegekräfte aus dem Ausland. Wenn wir die nicht hätten, könnten wir den Laden zusperren. Es mangelt eh schon an allen Ecken und Enden an Personal. Und das Problem wird die nächsten Jahre noch viel größer!
Das ist nur einer der vielen Aspekte, die Christian Springer in seinem Vortrag anspricht. Er hat so viel erlebt und so viel gesehen und nimmt alle mit auf seine 1½-stündigen Reise durch seine Erfahrungen und Gedanken. Und sagt auch immer wieder klar und deutlich seine Meinung.
Bis auf den letzten Platz besetzt ist die Aula am Mittwoch, den 25. Juni, 200 Zuhörer folgen den Ausführungen aufmerksam. Springers Credo: Wir werden unsere Zukunft nur dann positiv gestalten, wenn wir offen und tolerant sind, wenn wir zuhören und auch mal andere Meinungen akzeptieren, wenn wir nicht alles glauben, was uns vorgesetzt wird, sondern Aussagen hinterfragen und, das ist ihm ganz wichtig, wenn wir unsere Demokratie schätzen und verteidigen! Es stimmt, Demokratie ist nicht immer super, Demokratie hat auch Nachteile. Beispielsweise dauern Entscheidungen oft ewig und am Ende entscheidet die Mehrheit und die Minderheit fällt unter den Tisch. Wenn man sich allerdings in der Welt umsieht, all die Autokraten und Diktatoren, die immer mehr werden, betrachtet, dann müssen wir begreifen: Unsere Demokratie ist das Beste, was wir haben, und wir müssen sie mit allen Mitteln verteidigen!
Wir bedanken uns sehr herzlich bei Christian Springer für den mitreisenden und informativen Vormittag und bei allen Sponsoren, die dieses Erlebnis möglich gemacht haben.
Claudia Fürst
StDin, Fachbetreuung PuG